Letzten Sonnabend habe ich in Schmachtenhagen bei Berlin ein Exemplar des Heftchens „Nische Fetzn“ bekommen; ein A6-Fanzine aus dem befreundeten Umland, genauer verraten, aus Strausberg. Darin geht es um 33 Jahre Test A, 22 Jahre Oi! The Nische und ähnlich krumme Jubiläen von Bands und Veranstaltern, die uns daran erinnern sollen, was für alte Knacker ohne Senf und Stulle wir schon sind. God´s little helper and I, wir interviewten uns für diese Spezial-Ausgabe gegenseitig, und zwar über acht Seiten, netto ungefähr dreieinhalb Seiten. Der große Layouter und Herausgeber Schubi orientierte sich an Andy W., indem er je zwei Fotos von Ahne und mir ganz oft verwertete. Mensch, hätte Glatzen-Schubi mich gefragt, ich hätte noch etwa 300 Fotos meiner vier Malta-Urlaube rausrücken können. Und ähnliches, und mehr. Im „Nische Fetzn“ gibt es keine Seitenzahlen, keine Kontaktadresse, keinen Preis, und eher selten wird der Artikelschreiber namentlich erwähnt. Tja, andere Generation. Ich bin noch so ein Urvieh, für welches es in Ordnung ist, in derartigen Heftchen mit Klarnamen und Bildchen aufzutauchen. Im aktuellen BFC-Ultra-Heftchen „Der Pionier“ # 3 bin ich übrigens zum zweiten Mal mit der Kolumne „Opa erzählt vom Sieg“ dabei. 4:0 gegen den 1. FC Magdeburg, 1982. Halleluja! Das Heft könnt ihr beim nächsten Heimspiel am 3. Oktober gegen die BSG Sachsenring Zwickau gleich hinter dem Eingang am Banda-Invicta-Stand erwerben. Hat 84 A6-Seiten, kostet 5 Euro. Oder hier: redaktionätbandainvicta.de. In Schmachtenhagen habe ich außerdem noch ne LP von den Rabauken erstanden. „Der Rabauken erster Streich“, für faire 20 Euro zwar, die ist aber lange nicht so gut wie Rocko Schamonis Scheibe „Musik für Jugendliche“. Macht nüscht, ick hab´s dicke. Verdiene ja auch Klimpergeld für meine monatliche Unterklasse-Kolumne. Hier ist die von morgen:
Neulich bin ich mit dem Flix-Bus für einige Tage an das nördliche Ende der Oder gefahren, auch um dort den Alltag jenseits des Fußballsonntags mit dem Ekstraklasa-Ostsee-Derby zwischen Pogon Szczecin und Lechia Gdansk zu erleben, und natürlich um die Fan-Freundschaft zwischen Pogon und dem BFC Dynamo zu testen. Ich hatte leider verschwitzt, etwaige Unterklassenpartien ausfindig zu machen. Die Innenstadt ist jedenfalls schön und friedlich. Ich habe sie bei besten Spätsommerbedingungen mehrfach durchschritten. Die meisten Menschen glotzten nicht permanent auf´s Taschentelefon. Bei den Jugendlichen schienen schwarz-weiß Kontraste angesagt zu sein. Ein bisschen Emo. Bruder Alkohol gehörte nicht ins öffentliche Stadtbild. Während des sonntäglichen Kirchgangs sahen die Einheimischen aus, als gingen sie auf ein Konzert von Czerwone Gitary. Danach legten sie die blau-weinroten Pogon-Farben an und pilgerten ins Stadion. In den umliegenden gastronomischen Einrichtungen wurde nicht so viel gesoffen wie ich es aus Deutschland kenne. Am Stadioneingang löste mein Code auf der Karte erst beim dritten Versuch den gewünschten Effekt am Drehkreuz aus. Aber das kannte ich aus dem Berliner Olympiastadion. Alles gut. Sehr gefährlich sind in den Stadionblöcken die unterschiedlich hohen Treppenstufen. Pogon, der Klub ohne Titelgewinne, hat die internationalen Plätze im Visier. Nach neun Spieltagen trödelt man noch im Mittelfeld der Tabelle vor sich hin, doch die Neuverpflichtungen lassen hoffen. Sam Greenwood kam von Leeds United und Paul Mukairo vom FC Kopenhagen. Pogon wirtschaftet solide. Die unruhigen Zeiten mit den dauernden Umbrüchen liegen einige Jahre zurück. Man kickt nicht mehr vor wenigen tausend Zuschauern. Gegen Lechia Gdansk kamen 19.000. So viele verzeichnet man auch durchschnittlich. Nachdem der schöne 1:0-Treffer per Seitfallrückzieher nach 23 Minuten gefallen war, glich der Gast aus dem unteren Tabellendrittel nur fünf Minuten später aus. Der Torschütze jubelte aufreizend vor der Heimkurve, fern der mitgereisten 400 Lechia-Fans. Kurz vor der Pause ging Pogon mit 2:1 in Führung. Nach einer Stunde Spielzeit entglitt den Männern vom Haff die Veranstaltung zunehmend. Die Gäste erzielten den Ausgleich, verschossen danach zwar einen Elfer, schraubten aber noch auf 2:4 hoch. Nun setzte die Abwanderung der Ungläubigen ein. Pogon verkürzte in der Nachspielzeit per Elfer auf 3:4. Die freundlichen wie nüchternen Menschen zog es zu den Bussen und Bahnen. Ich gönnte mir einen ausgedehnten Spaziergang, vorbei an Parkanlagen, Gründerzeitbauten und Konsumtempeln. Unterklassenplätze habe ich nicht entdeckt. Nach einigen Tagen wieder in Berlin per Bus angekommen, lief ich auf dem Alex quer über den Platz zur Straßenbahn, und sah binnen jener zwei Fußwegminuten mehr menschliches Elend als während meiner ersten 24 Jahre, die ich in der DDR erlebte. Wahrscheinlich sind einige polnische Touristen gleich in den Flix-Bus zurück geflüchtet.