Wer machte den Förster zum Verwalter?

24. November 2025

Der Berliner Kurier fand deutliche Worte, ich flüchtete mich in den Humor. Come, China Man, come! Meine Unterklassen-Kolumne:

Sonntagvormittag in Berlin. Strahlender Himmel, kein Niederschlag. Die Temperaturen lagen etwas unter dem Gefrierpunkt. Mein sechzigster Spätherbst ist der reinste Spaß. Noch herrschte Fahrradwetter. Früher, wenn der Schnee bis zu den Knien reichte, wurde im Stadion die Rasenfläche halbwegs geräumt; es gab einen roten Ball, und schon rollte dieser. Auf den Rängen ging niemand an der frühen Winterpracht zugrunde. Vorgestern wollte ich zum Kracher zwischen dem 14. und 9. der Regionalliga Nordost: BFC Dynamo gegen FSV Luckenwalde. Als ich im Sportforum ankam, eine Stunde vor dem geplanten Anpfiff, befanden sich die weinrot-weißen Fans auf dem Anmarsch, aber auch einige blau-gelbe Gäste. Seltsamerweise zeigten sich die Kassenhäuschen verschlossen. Da traf die Nachricht übers Taschentelefon ein: Spiel fällt aus, wegen ist nicht. Also ab ins Vereinsheim, Tee trinken. Bier gab es in der Nacht davor genug, beim tollen Konzert von Herbst in Peking. Einige Infos und Gerüchte machten die Runde. Der Schiedsrichter hätte sein Okay gegeben, aber der Typ von der Sportstättenverwaltung wäre dagegen gewesen. Hm, weiß so ein Verwalter nicht spätestens am frühen Vormittag, ob der Rasen bespielbar wäre, und hat das letzte Wort nicht der Schieri? Etwa 105 Minuten vor dem vermeintlichen Anpfiff habe die Nachricht im Internet gestanden. Auf den Kosten dürfte der BFC sitzen bleiben. Derartige Hiobsbotschaften nimmt man nicht so gelassen hin, wie die Nachricht vom positiven Ausgang einer Darmspiegelung. Immerhin waren einige Freunde am Start, die sich am leichtesten treffen ließen, wenn ein Fußball- oder Konzerttermin vorgegeben wurde. Wobei, nebenbei verraten, die Konzerte manchmal so öde waren, dass ich mich langweilte, und mir andere Leute auffielen, die sich auch zu langweilen schienen. Und ich würde fast drauf wetten, dass selbst manchem Schreihals, der seit einigen Jahrzehnten seinen Quatsch ins Mikro brüllte, die eigenen Shows zu blöde wurden. Am besten an manchen Abenden waren unsere Treffpunktkneipen, so dass wir irgendwann die Losung ausriefen: Heute Saufen, ohne Kultur! Nur Kneipe, kein Konzert! Doch was sollten wir mit diesem angebrochenen Sonntag anfangen? Vielleicht einige Biere trinken und danach die Geschäftsstelle des Nordostdeutschen Fußballverbandes besuchen, die sich in der Nähe befand. Ich bestellte mir einen zweiten Tee. Das habe ich während meiner viereinhalb Fußballjahrzehnte zum ersten Mal auf einem Stadiongelände getan. Außer dem eigenen Spiel fiel auch das zwischen Meuselwitz und dem BFC Preussen aus. Ob die heutige Partie zwischen Hertha Zehlendorf und Chemie Leipzig stattfindet, und die morgige zwischen Altglienicke und Hertha BSC II, darf bezweifelt werden. Winterpause bis April? Es wird Zeit, dass die Chinesen den bundesrepublikanischen Laden übernehmen und binnen weniger Monate im Sportforum ein akzeptables Stadion hochziehen. Prima, wenn die Chinesen unsere Fans und Vereine vor den Funktionären der hiesigen Sportpolitik mittels negativen Sozialkredit schützen. Come, China Man, come!

Wir sind Zwei von uns

15. November 2025

Nachgereicht, das Gespräch zwischen Ahne und mir aus dem Nische Fetzn, hier mit ohne Bilder. Speziell für Fans, die daran Interesse haben, die dem Herausgeber Schubi in den einschlägigen Stätten sogar begegnen, der aber nie Exemplare bei hat. So sicher auch heute im Panenka.

Wir sind Zwei von uns

Gespräch zwischen Ahne und Andreas Gläser

Gläser: Guten Tag Ahne. Mir geht’s gut, dir geht’s sehr gut, nehme ich mal an.

Ahne: Ja, ich hab ausgeschlafen und die Pubertätspickel sind auch weg, seit 40 Jahren.

Gläser: Dein Roman von vor zwei Jahren, – „Wie ich einmal lebte“ -, war das Werk, das dich wohl am meisten herausforderte, oder? Ich fand´s gut, endlich mal was Lustiges von unten. DDR-Alltag, ohne permanentes Stasi-Gebimmel. Ich hatte vermutet, es ginge für dich wieder so ab wie um 2000, als Presse und Verlage auf die Lesebühnen zugingen. Pustekuchen.

Ahne: Es gab immerhin eine Rezension in der Sächsischen Zeitung und im Blog von dir wurde das Buch lobend erwähnt. Nach der Verfilmung wird es sicher auch in der ‚Hörzu‘ besprochen, denke ich. Ob es das herausfordernste Werk war? Schwer zu sagen. Die Choreographie für die Bodenturnübung zu Musik im Sportunterricht der 10. Klasse war auch nicht ohne.

Gläser: Ich habe das Buch für das Neue Deutschland besprochen. Hat wohl niemand gelesen. Aktuell kam von dir „Reinhard Lauck – Einer von uns“, ein Fußball-Fan-Büchlein aus der Ikonen-Reihe. Gönnt man sich als Ahne-Anhänger, ist aber auch kein Befreiungsschlag für den Autor. Du verbuchst das wohl unter „Die Mühen der Ebenen“. Respekt.

Ahne: Willst du eins haben? Kostet nur 12 Euro. Zwei kriegste für 20, 100 Bücher schon für, äh, sagen wir 1.000? Da sparst du 200 Euro.

Gläser: Ich komme eventuell drauf zurück. Dann bekommen drei, vier Leute dein Buch zum Geburtstag. Stichwort: 33 Jahre Test A. Meistens waren sie ja faul, haben glaube ich mehr Merch als Vinyl rausgebracht. Hast du auch die Single „Jungs mit der Glatze“, oder wie die heißt?

Ahne: Die habe ich nicht. Aber ich habe die erste Platte der Puhdys und die Letzte von Goyko Schmidt. Wobei, wenn ich recht überlege, gab es nicht mal ’ne Split-Veröffentlichung Test A/Bombecks? War da ‚Jungs mit der Glatze‘ oder wie das heißt drauf? Nee, wa? Schade.

Gläser: Ja, gab es, die Split. Die Glatzenjungs sind aber auf der Single von Oi! Hammer, Mitte ´90er. Ehrliche Scheibe. Danach haben sie einige Jahrzehnte pausiert, mehr oder weniger. Was denkst du, hören die Herrschaften von Oi! The Nische heimlich?

Ahne: Heimlich? Dein Hörbuch ‚Zonenschläger‘ aus den späten Neunzigern? Unter der Bettdecke? Vorstellbar. Ansonsten wahrscheinlich die gröbsten Hits der 60’er bis 90’er und das Beste von heute. Legst du eigentlich noch Schallplatten auf?

Gläser: Ja, täglich bei mir zu Hause, und zwar ziemlich oft die Scheiben der Blues-Pianisten Memphis Slim und Champion Jack Dupree. Ahne, da du ziemlich gut singst, könntest du doch ne Band gründen und immer die selben Texte singen; müsstest dir nicht dauernd Prosa ausdenken. Woran hakt es?

Ahne: Dann musst du proben und mit den anderen Termine für ’s Proben finden. Außerdem hat meine Tochter gerade eine Band gegründet. Ich will nicht alles nachmachen, was meine Kinder machen. Allerdings, wenn wir zusammen ’ne Band gründen? Du spielst ja ziemlich gut Saxophon und Klavier. Klavier, Saxophon, Gesang, die klassische Besetzung. Wat meinste? Wir könnten uns ‚Die Klassiker‘ nennen oder ‚Die drei lustigen Zwei‘.

Gläser: Wir proben einfach an zwei, drei Wochentagen zwischen 15 und 18 Uhr. So kommen wir den Mitmietern im Übungsraum nicht in die Quere und können am Wochenende zum Fußball gehen. Ja, ich kann am Schlüsselbrett einige youtube-Übungen aneinanderreihen und manch Ahnungslosen foppen. Bandnamen? Gerne ohne der-die-das, und unlustig.

Ahne: ‚Drei unlustige Zwei‘? ‚Unlustig Klassiker‘? So werden wir die Jazz-Szene aufmischen! Auf Proben würde ich lieber verzichten. Dafür nutzen wir die Auftritte, das macht uns menschlich. Musst du eigentlich noch arbeiten gehen, nachdem du mit ‚Nordost-Blues‘ den wegweisenden Roman veröffentlicht hast oder lebst du inzwischen von den Zinsen für den Verkauf der Filmrechte? Ach, und wo wir schon dabei sind, ist dir aufgefallen, dass sich immer mehr Frauen ihre Lippen aufspritzen? Darf man das überhaupt noch sagen?

Gläser: Drei bis fünf Leute werden es gewesen sein, die den „Berlin Nordost Blues“ als meinen vorläufigen Zenit einordneten. Nicht mehr arbeiten gehen und berühmt sein, das funktioniert deshalb frühestens, wenn ich tot bin. Lippen-aufspritzen lassen ist jedenfalls noch offensichtlich hässlicher als Arsch-aufspritzen lassen. Muss man sagen. Und jetzt raus mit der Sprache: Deine erste gekaufte LP, dein erstes Konzert? Bei mir war es die LP von Glenn Miller, die mit der langweiligen grauen Hülle, die Aufnahmen in Mono. Ein vermeintlicher Fehlkauf, gleich zum Sammlerstart bin ich unglücklich aus dem Zentrum Warenhaus geschlurft. Doch die Platte ist topp, die habe ich natürlich noch. Mein erstes Konzert: 1980, Stern Combo Meißen im Pionierpark Ernst Thälmann, in der Wuhlheide. Ein Ausflug mit der Schulklasse, im Rahmen unseres FDJ-Studienjahres. Kultur kennenlernen, Lebensfreude tanken, um in die FDJ aufgenommen werden zu können. Die meisten Klassenkameraden sind zeitig abgehauen. Ich fand´s gut, aber nicht sehr gut. Vor dem Konzert war ich alleine in der Alten Försterei. Union gegen Stahl Riesa. 2:0, glaube ich. Die Union-Kinder in meiner Klasse wussten wohl nicht, wo sie spielen. Ich auch nicht, bin erst einmal durch den Wald geirrt. Habe einen Blau-Weißen getroffen, ihn gleich angekumpelt: „Ey, stark, Stahl Riesa!“ Hat er gemeint: „Nee, Hertha BSC. Aber ick nehm dich mit in den Union-Block.“ Ein denkwürdiger Tag, noch heute.

Ahne: Einmal Unioner, immer Unioner, oder? Mein erstes Fußballspiel war Einheit Karlshorst gegen Tiefbau Ost, da hab ich selber mitgespielt. Wir verloren in meiner Erinnerung zweistellig, was unter anderem daran gelegen haben mag, dass wir zweie weniger waren. Die mussten mit ihren Eltern am Wochenende auf ’s Grundstück und beim nächsten Training 30 Strafliegestütze machen. Meine erste Platte? ‚Heiß wie Schnee‘ von den Puhdys. Die Frau auf dem Cover sprach mich an. Mein erstes Konzert war auf jeden Fall eines vom Berliner Lehrerchor. Da sang Mutti mit. Das hat mich geprägt. Herr Gläser, ich danke ihnen für dieses interessante Gespräch. Oi!

Gläser: Oi!

Komm, Karlineken, komm, wir woll´n nach Pankow jeh´n

27. Oktober 2025

Grüße aus Pankow-Heinersdorf. Klick. Meine Unterklassen-Kolumne. 🙂

Im schönen Pankow-Heinersdorf liegt das traditionsreiche Kissingenstadion mit seinen 8.000 Stehplätzen. Hier sind der FSV Fortuna Pankow 46 und der BSV Heinersdorf beheimatet. Fortuna spielt in der Kreisliga A, Staffel zwei, der BSV rangiert eine Liga höher, in der Bezirksliga, Staffel zwei. Die einen laufen in Schwarz-Gelb auf, die anderen Grün-Weiß. Neunte Liga, achte Liga – das ist Sprengstoff. Beim BSV stand neulich ein Spiel gegen die Emporkömmlinge von Delay Sports aus dem Berliner Südwesten an, die im Juni 2021 wie aus dem Nichts kamen und während der letzten Jahre durch die Ligen hochrauschten. Viele junge Leute folgen dem Verein, zwar überwiegend im Internet, aber zu den Spielen schaffen es auch einige hundert. Ob heim oder auswärts, sie parken ihre E-Roller vor den unbekannteren Sportanlagen der Hauptstadt und sorgen auch beim jeweiligen Gegner für verstärktes Interesse.

Beim BSV Heinersdorf besuchen in der Regel 50 Leute ein Heimspiel, gegen Delay kamen 500. Der BSV fuhr das volle Programm. Ein Großteil der Jugendabteilungen bevölkerte bei Bilderbuch-Herbstwetter die Tribünen, man zeigte jede Menge Flaggen, und zum Spielbeginn auch Rauch. Das Publikum sympathisierte etwa fifty-fifty mit den Teams. Hinter einem Tor rockte eine lokale Rockband, am Kuchenstand wurde aufgefahren wie bei Oma, obwohl bei den Prognosen in etwa von einer 1:5-Niederlage ausgegangen wurde.

Vor dem Spiel hatte der BSV eine Torbilanz von 11:10, Delay dagegen von 41:7. Beide Mannschaften zählten zur tapferen Verfolgergruppe vom Spitzenreiter Grün-Weiß Neukölln. Doch die BSV-Recken standen den augenscheinlichen Vertretern der Übermacht auf den Füßen, die aus ihren individuellen Vorteilen nichts Zählbares verbuchen konnten. Und vor allem hatte der BSV einen coolen Keeper, der durch nichts zu überlisten war. Die grün-weißen Heinersdorfer wagten sich zunehmend nach vorn und erzielten kurz vor dem Seitenwechsel den sehenswerten Führungstreffer. Hohe Flanke von links, und bevor das Gewühle zu groß wird, rein das Ding – 1:0. Die Kapelle spielte fröhlich ihre Pausenmusik.

In der zweiten Spielhälfte bemühte sich der Favorit weiterhin redlich, fand jedoch keine Mittel. Die Kinder und Jugendlichen der Heinersdorfer Nachwuchsabteilungen wurden kesser mit ihren Gesängen: »Wer nicht hüpft, der ist Fortune, hey, hey!« Ein kleiner Gruß an die irgendwo auswärts antretende Kissingen-Konkurrenz. Der BSV-Keeper und seine Mannen retteten ein ums andere Mal. Kurz vor dem Abpfiff ging es über zwei, drei Stationen zügig nach vorn – Peng, 2:0! Delays erste Saisonniederlage war besiegelt. Ein niedlicher Platzsturm unterstrich die Volksfeststimmung. Danach trank manch Besucher ein Bier auf die mit 102 Jahren zu früh von uns gegangene Fußballwoche. Letzten Sonntag wiederum war bestes Internetwetter. Kicker.de verriet unter anderem Folgendes: Grün-Weiß Neukölln gegen BSV Heinersdorf 4:0, Spandauer FC Veritas 1996 gegen Delay Sports 2:6.

0:2, wer ist dabei?

17. Oktober 2025

An den 2.500 Zeichen für die einmal im Monat erscheinende Unterklassen-Kolumne in der jungen Welt schraube ich immer viel zu lange herum. Doch als gestern Abend die Anfrage vom BFC-Fanbeauftragen Rainer L. aus B. kam, ob ich mal schnell was für den Berliner Kurier schreiben kann, habe ich das Textchen mit dem großen Bogen aus dem Handgelenk geschüttelt, wie eine blöde Elektropost. Kuckste weiter unten. Oder gleich hier:

Fan Andreas schlägt den großen BFC-Bogen

Für die Fans hat Team-Chef Rainer Lüdtke diesmal Andreas Gläser verpflichtet: „Ich wurde 1965 geboren, und habe den BFC Dynamo zum ersten Mal 1977 im damals noch wunderschönen Jahn-Sportpark erlebt, wo gegen den FC Vorwärts Frankfurt/O. gewonnen wurde. Als Junge aus der Gleimstraße war für mich der BFC vor allem mein Verein aus dem Viertel, wenn man so will. Im besten Alter habe ich den BFC auf seinem sportlichen Zenit erlebt, samt des soliden Zuschauerzuspruchs, nicht nur, wenn es international zur Sache ging.

Zwischen 1985 und 1993 hat mir so einiges nicht gefallen, ich war selten dabei. Als ich zu FC-Berlin-Zeiten in die Szene mit den wenigen hundert Zuschauern zurückfand, ging es mit mir als Schreiberling los. Ich fabrizierte für einige Fan-Magazine so manchen Artikel. 2002 kam beim Aufbau Taschenbuch Verlag mein Werk ‚Der BFC war schuld am Mauerbau‘ heraus. Zwischen 2008 und 2014 veröffentlichte ich mit einigen Freunden das BFC-Fanzine ‚Zugriff‘. Das intensivierte die Verbundenheit mit vielen Fans ungemein.

Im Sportforum bzw. Jahn-Sportpark war ich wieder regelmäßig dabei. Die Regionalliga Nordost ist eine überdurchschnittlich spannende 4. Liga. Mit ihr komme ich als Dauerkarteninhaber locker klar. Mehr Kopfzerbrechen bereitet mir das totale Versagen von Politik und Wirtschaft, wenn es um die Stadionfrage geht. Das Recht des BFC, auf ein Drittligastadion im Sportforum, halte ich für unverhandelbar! Auf das Spiel bei Hertha 03 Zehlendorf freue ich mich. Mit der kleinen Hertha hatten wir während der Neunziger oft zu tun. Prima, dass Hertha 03 nach einer längeren Auszeit wieder in unserer Liga rangiert. Ich tippe auf einen 2:0-Sieg der Dynamos.“

In Szczecin ist alles Ekstraklasa

29. September 2025

Letzten Sonnabend habe ich in Schmachtenhagen bei Berlin ein Exemplar des Heftchens „Nische Fetzn“ bekommen; ein A6-Fanzine aus dem befreundeten Umland, genauer verraten, aus Strausberg. Darin geht es um 33 Jahre Test A, 22 Jahre Oi! The Nische und ähnlich krumme Jubiläen von Bands und Veranstaltern, die uns daran erinnern sollen, was für alte Knacker ohne Senf und Stulle wir schon sind. God´s little helper and I, wir interviewten uns für diese Spezial-Ausgabe gegenseitig, und zwar über acht Seiten, netto ungefähr dreieinhalb Seiten. Der große Layouter und Herausgeber Schubi orientierte sich an Andy W., indem er je zwei Fotos von Ahne und mir ganz oft verwertete. Mensch, hätte Glatzen-Schubi mich gefragt, ich hätte noch etwa 300 Fotos meiner vier Malta-Urlaube rausrücken können. Und ähnliches, und mehr. Im „Nische Fetzn“ gibt es keine Seitenzahlen, keine Kontaktadresse, keinen Preis, und eher selten wird der Artikelschreiber namentlich erwähnt. Tja, andere Generation. Ich bin noch so ein Urvieh, für welches es in Ordnung ist, in derartigen Heftchen mit Klarnamen und Bildchen aufzutauchen. Im aktuellen BFC-Ultra-Heftchen „Der Pionier“ # 3 bin ich übrigens zum zweiten Mal mit der Kolumne „Opa erzählt vom Sieg“ dabei. 4:0 gegen den 1. FC Magdeburg, 1982. Halleluja! Das Heft könnt ihr beim nächsten Heimspiel am 3. Oktober gegen die BSG Sachsenring Zwickau gleich hinter dem Eingang am Banda-Invicta-Stand erwerben. Hat 84 A6-Seiten, kostet 5 Euro. Oder hier: redaktionätbandainvicta.de. In Schmachtenhagen habe ich außerdem noch ne LP von den Rabauken erstanden. „Der Rabauken erster Streich“, für faire 20 Euro zwar, die ist aber lange nicht so gut wie Rocko Schamonis Scheibe „Musik für Jugendliche“. Macht nüscht, ick hab´s dicke. Verdiene ja auch Klimpergeld für meine monatliche Unterklasse-Kolumne. Hier ist die von morgen:

Neulich bin ich mit dem Flix-Bus für einige Tage an das nördliche Ende der Oder gefahren, auch um dort den Alltag jenseits des Fußballsonntags mit dem Ekstraklasa-Ostsee-Derby zwischen Pogon Szczecin und Lechia Gdansk zu erleben, und natürlich um die Fan-Freundschaft zwischen Pogon und dem BFC Dynamo zu testen. Ich hatte leider verschwitzt, etwaige Unterklassenpartien ausfindig zu machen. Die Innenstadt ist jedenfalls schön und friedlich. Ich habe sie bei besten Spätsommerbedingungen mehrfach durchschritten. Die meisten Menschen glotzten nicht permanent auf´s Taschentelefon. Bei den Jugendlichen schienen schwarz-weiß Kontraste angesagt zu sein. Ein bisschen Emo. Bruder Alkohol gehörte nicht ins öffentliche Stadtbild. Während des sonntäglichen Kirchgangs sahen die Einheimischen aus, als gingen sie auf ein Konzert von Czerwone Gitary. Danach legten sie die blau-weinroten Pogon-Farben an und pilgerten ins Stadion. In den umliegenden gastronomischen Einrichtungen wurde nicht so viel gesoffen wie ich es aus Deutschland kenne. Am Stadioneingang löste mein Code auf der Karte erst beim dritten Versuch den gewünschten Effekt am Drehkreuz aus. Aber das kannte ich aus dem Berliner Olympiastadion. Alles gut. Sehr gefährlich sind in den Stadionblöcken die unterschiedlich hohen Treppenstufen. Pogon, der Klub ohne Titelgewinne, hat die internationalen Plätze im Visier. Nach neun Spieltagen trödelt man noch im Mittelfeld der Tabelle vor sich hin, doch die Neuverpflichtungen lassen hoffen. Sam Greenwood kam von Leeds United und Paul Mukairo vom FC Kopenhagen. Pogon wirtschaftet solide. Die unruhigen Zeiten mit den dauernden Umbrüchen liegen einige Jahre zurück. Man kickt nicht mehr vor wenigen tausend Zuschauern. Gegen Lechia Gdansk kamen 19.000. So viele verzeichnet man auch durchschnittlich. Nachdem der schöne 1:0-Treffer per Seitfallrückzieher nach 23 Minuten gefallen war, glich der Gast aus dem unteren Tabellendrittel nur fünf Minuten später aus. Der Torschütze jubelte aufreizend vor der Heimkurve, fern der mitgereisten 400 Lechia-Fans. Kurz vor der Pause ging Pogon mit 2:1 in Führung. Nach einer Stunde Spielzeit entglitt den Männern vom Haff die Veranstaltung zunehmend. Die Gäste erzielten den Ausgleich, verschossen danach zwar einen Elfer, schraubten aber noch auf 2:4 hoch. Nun setzte die Abwanderung der Ungläubigen ein. Pogon verkürzte in der Nachspielzeit per Elfer auf 3:4. Die freundlichen wie nüchternen Menschen zog es zu den Bussen und Bahnen. Ich gönnte mir einen ausgedehnten Spaziergang, vorbei an Parkanlagen, Gründerzeitbauten und Konsumtempeln. Unterklassenplätze habe ich nicht entdeckt. Nach einigen Tagen wieder in Berlin per Bus angekommen, lief ich auf dem Alex quer über den Platz zur Straßenbahn, und sah binnen jener zwei Fußwegminuten mehr menschliches Elend als während meiner ersten 24 Jahre, die ich in der DDR erlebte. Wahrscheinlich sind einige polnische Touristen gleich in den Flix-Bus zurück geflüchtet.

Weichreite TVs bester Beitrag

29. September 2025

Schön, wie die AfD Niedersachsen neulich performte, wie die Kommunikation sonst nur hinter den Kulissen abläuft – bei wohl jeder Partei.

Grüße aus Kressmannsdorf

1. September 2025

Gestern bin ich mit dem Rad für´n Sucuk, ´ne Fassbrause und ´n Drittliga-Frauenderby von Prenzlauer Berg zum Kreuzberger Katzbach gefahren. War warm genug. Input gab´s jede Menge. Ich konnte in meinen 2.500 Zeichen gar nichts über die Herren-Spiele von Türkiyemspor gegen TeBe, Hertha BSC und BFC Dynamo unterbringen. Nun denn, schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht, noch mit Rechtschreibfehlern. Ach, und all diese Artikelchen gibt es, da sie bei der Zeitung nach einigen Wochen nicht mehr einsehbar sind, hier unter Zeitungen.

Sonntag, 14 Uhr, erster Spieltag der drittklassigen Regionalliga Nordost. Es steigt ein Berliner Derby der Frauen: Türkiyemspor gegen Hertha BSC. Das Willy-Kressmann-Stadion im Viktoriapark wurde nach dem SPD-Mann benannt, der von 1949 bis 1962 als Bezirksbürgermeister in Kreuzberg agierte. Nach dem 2. Weltkrieg reiste er als erster deutscher Politiker auf offizielle Einladung in die USA, wo er einen weißen Stetson erwarb. Den trug er auch in Berlin, worauf man ihn Texas-Willy nannte. Und Kreuzberg hieß für einige Berliner nur Kressmannsdorf. Der Eintritt zum Spiel wurde für schmale fünf Euro gewährt, und wenn man demnächst zehn Cent Kulturbeitrag rauf schlägt, können sogar die Torlatten und Pfosten frisch angestrichen werden. Prima. Unter den etwa 250 Zuschauern gab es drei Dutzend lautstarke Hertha-Fans, die sich hinter der Gästebank eingefunden hatten. Schön, dass sie ihre Banner mit den Aufschriften „Westend Girls“ und „Donna Hertha“ zeigten. Nicht so schön, dass sie Trommel und Megafon mitgebracht hatten. Es schepperte: „Hier kommt Hertha / scheißt euch in die Hosen / die Kurve ist am Toben / gemeinsam holen wir uns den Sieg!“ Ich hatte weniger Bedenken um mein Gedärm, sondern eher um mein Gehör. Türkiyemspor trat im schicken Dunkelblau an. Hertha in Neongelb. Den Frauen steht diese Farbe der Auswärtskollektion besser als den Herren. Und sie sollten damit auch punkten. Herthas Frauen wollen in die 2. Bundesliga aufsteigen. Nunmehr mit neuem Trainer, Tobias „Kurbel“ Kurbjuweit, Sohn der FC-Carl-Zeiss-Jena-Legende Lothar, welche es unter anderem zu 66 Einsätzen in der DDR-Nationalmannschaft gebracht hatte. Die Hertha-Mädels waren am Ende der abgelaufenen Saison Zweite geworden, hinter den Lokalrivalinnen von Viktoria. Türkiyemspor landete im 12er-Feld auf Rang 9. Das Spiel verlief außerordentlich fair, die Gäste kämpften sich allerdings filigraner zum gegnerischen Tor vor. Nach einer halben Stunde begannen sie im gefühlten Zehnminutenabstand ihre Tore zu erzielen, durch Lotte Reimold (31.), Elfie Wellhausen (40.), Johanna Seifert (50.) und Amelie Blättner (76.). Die Fans skandierten: „Willst du Hertha siegen sehen / musst du zu den Frauen gehen!“ Mitunter ergaben sich nette Gespräche mit Vertretern des familiären Anhangs der Spielerinnen. Am 6. September steigt ab 15 Uhr im Amateurstadion, unweit vom Olympiastadion, Herthas Spitzenspiel gegen RB Leipzig II, deren Spielerinnen in der Vorsaison Dritte wurden. Den Auftakt gegen Carl-Zeiss Jena II haben die Messestädterinnen 2:3 verloren. Es gibt, wie bei den Männern, fünf Staffeln der Regionalliga: Nordost, Nord, Süd, West und Südwest. Bei den Frauen steigen am Ende dieser Saison aber alle Spitzenreiterinnen direkt auf.